Verschränkung?
Zitat von Arne am 22. Februar 2024, 13:43 UhrLieber Peter,
in einem Vortrag vom Januar 2023 sprichst Du über Ideen zu einem Konzept der Verschränkung in der Systemtheorie.
Nachzuhören hier: „Über die Statthaftigkeit von Grenzen“
Verstanden habe Ich u.a.: Du verweist auf Probleme mit dem Grenzbegriff in der Systemtheorie und machst den Vorschlag, diesen durch den der „Verschränkung“ zu ersetzten. Das ist offenbar ein geläufiger Begriff in der Quantenphysik, mit dem Beziehungen oder Wechselwirkungen zwischen physikalischen Systemen beschrieben werden können.
Nun haben ja begriffliche bzw. konzeptionelle Anleihen aus den Naturwissenschaften eine lange Tradition in der Systemtheorie (eine gute Übersicht finde ich bei Bernd Porr: Systemtheorie und Naturwissenschaft, 2002). In diesem Fall allerdings kann ich kaum folgen. So sehr es mich überzeugt, dass sich Dinge verschränken können, so wenig leuchtet mir die Vorstellung einer Verschränkung abstrakter Konzepte ein. Wenn ich mich recht erinnere, nennst Du u.a. das Verhältnis von Sprache und Bewusstsein als ein Beispiel.
Im Vortrag heißt es auch: „Zwischen Medium und Form gibt es ebenso wenig eine Grenze, wie zwischen System und Umwelt.“ (Minute 01:10) Es handele sich nicht einfach um Differenzen. (Minute 01:55)
Das führt mich vor Fragen, für deren Klärung ich gerne dieses Forum nutzen würde:
- Führt das Streichen der Grenze zwischen System und Umwelt nicht unweigerlich zum Kollaps der Systemmetapher und damit zum Kollaps der Systemtheorie?
- Verfügen wir mit den Kopplungsbegriffen (strukturell, operativ) in der Systemtheorie Luhmanns nicht bereits über das notwendige Werkzeug, um die Beziehung zwischen Systemen in den Blick zu bekommen?
- Wenn Verschränkung weder Einheit noch Differenz ist, was ist dann gemeint?
Klärende Worte wären wunderbar.
Herzliche Grüße
Arne
Lieber Peter,
in einem Vortrag vom Januar 2023 sprichst Du über Ideen zu einem Konzept der Verschränkung in der Systemtheorie.
Nachzuhören hier: „Über die Statthaftigkeit von Grenzen“
Verstanden habe Ich u.a.: Du verweist auf Probleme mit dem Grenzbegriff in der Systemtheorie und machst den Vorschlag, diesen durch den der „Verschränkung“ zu ersetzten. Das ist offenbar ein geläufiger Begriff in der Quantenphysik, mit dem Beziehungen oder Wechselwirkungen zwischen physikalischen Systemen beschrieben werden können.
Nun haben ja begriffliche bzw. konzeptionelle Anleihen aus den Naturwissenschaften eine lange Tradition in der Systemtheorie (eine gute Übersicht finde ich bei Bernd Porr: Systemtheorie und Naturwissenschaft, 2002). In diesem Fall allerdings kann ich kaum folgen. So sehr es mich überzeugt, dass sich Dinge verschränken können, so wenig leuchtet mir die Vorstellung einer Verschränkung abstrakter Konzepte ein. Wenn ich mich recht erinnere, nennst Du u.a. das Verhältnis von Sprache und Bewusstsein als ein Beispiel.
Im Vortrag heißt es auch: „Zwischen Medium und Form gibt es ebenso wenig eine Grenze, wie zwischen System und Umwelt.“ (Minute 01:10) Es handele sich nicht einfach um Differenzen. (Minute 01:55)
Das führt mich vor Fragen, für deren Klärung ich gerne dieses Forum nutzen würde:
- Führt das Streichen der Grenze zwischen System und Umwelt nicht unweigerlich zum Kollaps der Systemmetapher und damit zum Kollaps der Systemtheorie?
- Verfügen wir mit den Kopplungsbegriffen (strukturell, operativ) in der Systemtheorie Luhmanns nicht bereits über das notwendige Werkzeug, um die Beziehung zwischen Systemen in den Blick zu bekommen?
- Wenn Verschränkung weder Einheit noch Differenz ist, was ist dann gemeint?
Klärende Worte wären wunderbar.
Herzliche Grüße
Arne
Zitat von henryN am 22. Februar 2024, 20:35 UhrEine spannende und sehr wichtige Frage die mich letztes Jahr auch sehr beschäftigt hatte…
zu 1: Ich würde auch so weit gehen, dass man auf die Unterscheidung als Folge von [Bezeichnung] grundsätzlich verzichten kann. So, wie es Derrida schon intendiert hatte. Ich denke aber, dass weitere prozesstheoretische (post-funktionale?) Termini und Module nötig wären.
Zu2: Kopplung empfinde ich als einen schwierigen Begriff. In vielen Beispielen (Biologie aber auch komplexe Regulationssysteme) setzt Relationalität (Relation der Relationen) sogar eine Entkopplung! voraus. Eine [operationale Geschlossenheit] wäre sonst gar nicht realisierbar.
zu 3 vielleicht die pure Fähigkeit zu Relationalität als mögliche Folge von ….?[Grenze] wäre eine neue Differenz in Relation zu
Differance…vermute ich… Eine Bezeichnung und Unterscheidung, die nie folgenlos wäre….?Vielleicht könnte man aber den Begriff [Grenze] dort einsetzen, wo Beobachter jeweils eine Seite der Unterscheidung ausblenden? Also entweder Umwelt oder System? Entweder als mögliche Folge von … oder mitunter aus ‚Hilflosigkeit‘?
Eine spannende und sehr wichtige Frage die mich letztes Jahr auch sehr beschäftigt hatte…
zu 1: Ich würde auch so weit gehen, dass man auf die Unterscheidung als Folge von [Bezeichnung] grundsätzlich verzichten kann. So, wie es Derrida schon intendiert hatte. Ich denke aber, dass weitere prozesstheoretische (post-funktionale?) Termini und Module nötig wären.
Zu2: Kopplung empfinde ich als einen schwierigen Begriff. In vielen Beispielen (Biologie aber auch komplexe Regulationssysteme) setzt Relationalität (Relation der Relationen) sogar eine Entkopplung! voraus. Eine [operationale Geschlossenheit] wäre sonst gar nicht realisierbar.
zu 3 vielleicht die pure Fähigkeit zu Relationalität als mögliche Folge von ….?
[Grenze] wäre eine neue Differenz in Relation zu Differance …vermute ich… Eine Bezeichnung und Unterscheidung, die nie folgenlos wäre….?
Vielleicht könnte man aber den Begriff [Grenze] dort einsetzen, wo Beobachter jeweils eine Seite der Unterscheidung ausblenden? Also entweder Umwelt oder System? Entweder als mögliche Folge von … oder mitunter aus ‚Hilflosigkeit‘?
Zitat von Peter Fuchs am 24. Februar 2024, 13:44 UhrLieber Arne,
„Verstanden habe Ich u.a.: Du verweist auf Probleme mit dem Grenzbegriff in der Systemtheorie und machst den Vorschlag, diesen durch den der „Verschränkung“ zu ersetzten. Das ist offenbar ein geläufiger Begriff in der Quantenphysik, mit dem Beziehungen oder Wechselwirkungen zwischen physikalischen Systemen beschrieben werden können.“
ja, aber mit äußerster Vorsicht. Wenn es überhaupt um Verschränkung gehen kann, hat sie ja einen Vorgänger: konditionierte Koproduktion. Das ist das vorletzte Kapitel, ‚Verschränkung‘ das letzte – nicht sicher, aber so geplant.
Was den Begriff der ‚Verschränkung‘ angeht, ist für mich entscheidend, dass ich den Part ausprobiere, der sich auf Vorgänge bezieht, durch die nicht kausal verknüpfbare Ereignisse kovariieren. Das Besondere daran ist, dass es also um Nicht-Verbindbarkeit, geht, die doch irgenwie verbunden ist. Das scheint zum Beispiel der Fall zu sein bei der System/Umwelt-Differenz. Wenn man sagt (Luhmann), dass die Umwelt (Außen) nur im Innern des Systems konstruiert wird, dann kollabiert ‚System/Umwelt‘; Ausdrücke wie ‚Umgebung oder Umfeld …‘ sind dann einfach theoretisch ‚daneben‘. Innen/Außen im Innen dementiert das Draußen – also die Differenz. Das dürfte einer der Gründe sein, derentwegen Luhmannn die Phänomenologie des Geistes durch die Phänomenologie der Differenz ersetzen möchte – vorläufig ein Projekt, eine Vision, der ich nachgehe.
„Zwischen Medium und Form gibt es ebenso wenig eine Grenze, wie zwischen System und Umwelt.“
Ja, aber in aller Unschärfe, dennoch eigentlich plausibel. Medium und Form sind beide eine Form. Im Vortrag heißt es auch: Es handele sich nicht einfach um Differenzen ganz ähnlich wie bei der Autopoiesis, deren andere Seite nicht ansichtig ist.
„Führt das Streichen der Grenze zwischen System und Umwelt nicht unweigerlich zum Kollaps der Systemmetapher und damit zum Kollaps der ‚Systemtheorie?“
Nein und ja. Das Streichen der Differenz einer Systemmetapher ist wie bei den meisten Metaphern möglich außer vielleicht bei absoluten Metaphern. Das Streichen von System/Umwelt ist möglich, aber vielleicht auch nicht. Wenn aber, so, wie ich meine, bewegen wor uns Bezirk der Höchstabstraktion, die sich um ‚Dinge‘ nicht kümmern muss.
„Verfügen wir mit den Kopplungsbegriffen (strukturell, operativ) in der Systemtheorie Luhmanns nicht bereits über das notwendige Werkzeug, um die Beziehung zwischen Systemen in den Blick zu bekommen?“
Ja, auf ‚mittlerer Theorieebene. Da sind Kopplungen möglich, was dann auf der Ebene der ‚Verschränkung‘ vermutlich nicht mehr möglich wäre. Aber all das bewegt sich im Feld des ‚Placet experiri‘.
„Wenn Verschränkung weder Einheit noch Differenz ist, was ist dann gemeint? Klärende Worte wären wunderbar.“
Das ist die Frage, die mich beschäftigt. Vielleicht ist beides das Gleiche: Differenz ist nichts ohne Einheit, Einheit ist nichts ohne Differenz.
Herzliche Grüße
Peter
Lieber Arne,
„Verstanden habe Ich u.a.: Du verweist auf Probleme mit dem Grenzbegriff in der Systemtheorie und machst den Vorschlag, diesen durch den der „Verschränkung“ zu ersetzten. Das ist offenbar ein geläufiger Begriff in der Quantenphysik, mit dem Beziehungen oder Wechselwirkungen zwischen physikalischen Systemen beschrieben werden können.“
ja, aber mit äußerster Vorsicht. Wenn es überhaupt um Verschränkung gehen kann, hat sie ja einen Vorgänger: konditionierte Koproduktion. Das ist das vorletzte Kapitel, ‚Verschränkung‘ das letzte – nicht sicher, aber so geplant.
Was den Begriff der ‚Verschränkung‘ angeht, ist für mich entscheidend, dass ich den Part ausprobiere, der sich auf Vorgänge bezieht, durch die nicht kausal verknüpfbare Ereignisse kovariieren. Das Besondere daran ist, dass es also um Nicht-Verbindbarkeit, geht, die doch irgenwie verbunden ist. Das scheint zum Beispiel der Fall zu sein bei der System/Umwelt-Differenz. Wenn man sagt (Luhmann), dass die Umwelt (Außen) nur im Innern des Systems konstruiert wird, dann kollabiert ‚System/Umwelt‘; Ausdrücke wie ‚Umgebung oder Umfeld …‘ sind dann einfach theoretisch ‚daneben‘. Innen/Außen im Innen dementiert das Draußen – also die Differenz. Das dürfte einer der Gründe sein, derentwegen Luhmannn die Phänomenologie des Geistes durch die Phänomenologie der Differenz ersetzen möchte – vorläufig ein Projekt, eine Vision, der ich nachgehe.
„Zwischen Medium und Form gibt es ebenso wenig eine Grenze, wie zwischen System und Umwelt.“
Ja, aber in aller Unschärfe, dennoch eigentlich plausibel. Medium und Form sind beide eine Form. Im Vortrag heißt es auch: Es handele sich nicht einfach um Differenzen ganz ähnlich wie bei der Autopoiesis, deren andere Seite nicht ansichtig ist.
„Führt das Streichen der Grenze zwischen System und Umwelt nicht unweigerlich zum Kollaps der Systemmetapher und damit zum Kollaps der ‚Systemtheorie?“
Nein und ja. Das Streichen der Differenz einer Systemmetapher ist wie bei den meisten Metaphern möglich außer vielleicht bei absoluten Metaphern. Das Streichen von System/Umwelt ist möglich, aber vielleicht auch nicht. Wenn aber, so, wie ich meine, bewegen wor uns Bezirk der Höchstabstraktion, die sich um ‚Dinge‘ nicht kümmern muss.
„Verfügen wir mit den Kopplungsbegriffen (strukturell, operativ) in der Systemtheorie Luhmanns nicht bereits über das notwendige Werkzeug, um die Beziehung zwischen Systemen in den Blick zu bekommen?“
Ja, auf ‚mittlerer Theorieebene. Da sind Kopplungen möglich, was dann auf der Ebene der ‚Verschränkung‘ vermutlich nicht mehr möglich wäre. Aber all das bewegt sich im Feld des ‚Placet experiri‘.
„Wenn Verschränkung weder Einheit noch Differenz ist, was ist dann gemeint? Klärende Worte wären wunderbar.“
Das ist die Frage, die mich beschäftigt. Vielleicht ist beides das Gleiche: Differenz ist nichts ohne Einheit, Einheit ist nichts ohne Differenz.
Herzliche Grüße
Peter
Zitat von henryN am 24. Februar 2024, 20:14 UhrEs ist nach wie vor nur ein Versuch auf der interaktionstheoretischen Ebene … Aber allein die Gegenwart von doppelter Operation mit Unsicherheit evoziert die Modellierung darin wieder möglicher, lokalsierbarer und prozessierbarer Ereignisse, Bewegung und Zeit. Der Ort der Information über die Interaktion/Wechselwirkung/Relation wäre im Anschluss an [konditionierte Koproduktion – ich würde vorschlagen nach Alternativen zum Begriff Produktion zu suchen…] auf beiden Seiten der Interaktion. Unabhängig davon wohin sie sich bewegen, opererieren sie mit dem gleichen Interaktionsmodell, dass durch beide zu bestimmbaren Anteilen geformt wurde ….. ?
Einheit und Differenz als eins der zwei ließe sich vielleicht durch die einfache Frage klären, was einen Baum zu einem Baum macht …. ?
eine ganz zentrale Dimension dieses Prozesses und der Information [Baum] wäre beispielsweise Statik …. Eine „Eins der Zwei“ des Baumes …
Henry
Es ist nach wie vor nur ein Versuch auf der interaktionstheoretischen Ebene … Aber allein die Gegenwart von doppelter Operation mit Unsicherheit evoziert die Modellierung darin wieder möglicher, lokalsierbarer und prozessierbarer Ereignisse, Bewegung und Zeit. Der Ort der Information über die Interaktion/Wechselwirkung/Relation wäre im Anschluss an [konditionierte Koproduktion – ich würde vorschlagen nach Alternativen zum Begriff Produktion zu suchen…] auf beiden Seiten der Interaktion. Unabhängig davon wohin sie sich bewegen, opererieren sie mit dem gleichen Interaktionsmodell, dass durch beide zu bestimmbaren Anteilen geformt wurde ….. ?
Einheit und Differenz als eins der zwei ließe sich vielleicht durch die einfache Frage klären, was einen Baum zu einem Baum macht …. ?
eine ganz zentrale Dimension dieses Prozesses und der Information [Baum] wäre beispielsweise Statik …. Eine „Eins der Zwei“ des Baumes …
Henry
Zitat von Franz Hoegl am 25. Februar 2024, 11:16 Uhr„…dass es also um Nicht-Verbindbarkeit, geht, die doch irgenwie verbunden ist. Das scheint zum Beispiel der Fall zu sein bei der System/Umwelt-Differenz. Wenn man sagt (Luhmann), dass die Umwelt (Außen) nur im Innern des Systems konstruiert wird, dann kollabiert ‚System/Umwelt‘; Ausdrücke wie ‚Umgebung oder Umfeld …‘ sind dann einfach theoretisch ‚daneben‘. Innen/Außen im Innen dementiert das Draußen – also die Differenz. Das dürfte einer der Gründe sein, derentwegen Luhmannn die Phänomenologie des Geistes durch die Phänomenologie der Differenz ersetzen möchte – vorläufig ein Projekt, eine Vision, der ich nachgehe.“ – Schon Husserl hat eine „Paradoxie der Subjektvität“ gesehen (wenn wir kurz die Vorbehalte gegenüber ‚Subjektivität‘ suspendieren und es gelingt, auf die argumentative Figur zu achten) darin, dass sie zugleich empirisch und transzendental sein solle (vgl. aber auch Novalis Frage an Fichte: Wie soll das transzendentale Subjekt denn empirisch werden?). Eine Phänomenologie der Differenz übernimmt sozusagen das transzendentalphilosophische Problembewußtsein, um durch ein „ab-hier-anders“ qua Abgrenzung an die Tradition anzuschließen.
„…dass es also um Nicht-Verbindbarkeit, geht, die doch irgenwie verbunden ist. Das scheint zum Beispiel der Fall zu sein bei der System/Umwelt-Differenz. Wenn man sagt (Luhmann), dass die Umwelt (Außen) nur im Innern des Systems konstruiert wird, dann kollabiert ‚System/Umwelt‘; Ausdrücke wie ‚Umgebung oder Umfeld …‘ sind dann einfach theoretisch ‚daneben‘. Innen/Außen im Innen dementiert das Draußen – also die Differenz. Das dürfte einer der Gründe sein, derentwegen Luhmannn die Phänomenologie des Geistes durch die Phänomenologie der Differenz ersetzen möchte – vorläufig ein Projekt, eine Vision, der ich nachgehe.“ – Schon Husserl hat eine „Paradoxie der Subjektvität“ gesehen (wenn wir kurz die Vorbehalte gegenüber ‚Subjektivität‘ suspendieren und es gelingt, auf die argumentative Figur zu achten) darin, dass sie zugleich empirisch und transzendental sein solle (vgl. aber auch Novalis Frage an Fichte: Wie soll das transzendentale Subjekt denn empirisch werden?). Eine Phänomenologie der Differenz übernimmt sozusagen das transzendentalphilosophische Problembewußtsein, um durch ein „ab-hier-anders“ qua Abgrenzung an die Tradition anzuschließen.
Zitat von Peter Fuchs am 26. Februar 2024, 10:37 UhrLieber Henry,
„Systemanalyse könnte eventuell neu verhandelt werden, wenn ich Systeme als die Summe der darin möglichen! und ermöglichten (Autopoiesis) Herausforderungen erfasse.
Es tut mir leid, aber diese These, dieses ‚Teil und Ganzes und Summe‘ hat Luhmann schon im Anfang seiner Karriere verworfen. Der Grund ist die Differenz System/Umwelt, wohlgemerkt: die Unterscheidung, nicht ein: ‚Hier und da‘. Dabei fällt mir ein, dass Unterscheidung und Differenz nicht Synonyme sind. Unterscheiden kann man ein Pferd, einen Igel, einen Gartenzwerg … Differieren ist Auseinandertragen. Aber das nur nebenbei.
„Die für mich entscheidende Frage (das betrifft insbesondere Gesellschaft als Information) wäre jeweils die nach der Teilbarkeit von Herausforderungen. (Barre wäre nicht das Problem, sondern die Summe aller Herausforderungen (Prozesse) eines Systems“
Erneut tut mir das leid. ‚Gesellschaft als Information‘? Und: ‚die Teilbarkeit von Herausforderungen‘? Das hat jedenfalls mit Luhmann nichts tun. Ich weiß gar nicht, mit wem oder was überhaupt?
Und die Barre ist ein Zeichen, nichts anderes als das der Differenz. Sie ist kein Teil der Differenz, nur ein Symbol, das sich ersetzen ließe durch ein Kränzchen usw. Kurz: eine Konvention, nicht: Teil der Differenz.
„Jede Differenz erzeugt Raum … einen Raum der darin möglichen und zulässigen sowie auch lokalisierbaren und prozessierbaren Ereignisse.“
Nein, für manche Beobachter (Beobachtungen) vielleicht. Aber: Luhmann verwirft die Phänomenologie des Geistes; stattdessen schlägt er eine Phänomenologie der ‚Differenz‘ vor. Gelingt das, wäre keine Differenz verknüpft mit Raum. Du überschätzt Raum. Und ‚Ereigniss ‘ … ist ohnehin ein sehr schwieriger Begriff, eigentlich keiner, wenn man zum Beispiel meint, dass sie keinen Raum haben, nicht zählbar sind, mit Derrida ein Nachtrag (ohne Präsenz), der unter dem Nichtnamen, Nichtbegriff der différance figuriert, einer Oikesis (eines Grabmals). Du kannst auch daran denken, dass weder Gedanken noch Kommunikation gezählt werden können.
„Wie entsteht eine Grenze?“
Nun, der Stand ist bei mir, dass System/Umwelt eine ‚Ohneeinandernicht‘- Differenz darstellt, also kein Dies und das … aber das ist dann keine Grenze nach innen, keine Grenze nach draußen. Aber das ist ein sehr weites Feld.
Herzliche Grüße
Peter
Lieber Henry,
„Systemanalyse könnte eventuell neu verhandelt werden, wenn ich Systeme als die Summe der darin möglichen! und ermöglichten (Autopoiesis) Herausforderungen erfasse.
Es tut mir leid, aber diese These, dieses ‚Teil und Ganzes und Summe‘ hat Luhmann schon im Anfang seiner Karriere verworfen. Der Grund ist die Differenz System/Umwelt, wohlgemerkt: die Unterscheidung, nicht ein: ‚Hier und da‘. Dabei fällt mir ein, dass Unterscheidung und Differenz nicht Synonyme sind. Unterscheiden kann man ein Pferd, einen Igel, einen Gartenzwerg … Differieren ist Auseinandertragen. Aber das nur nebenbei.
„Die für mich entscheidende Frage (das betrifft insbesondere Gesellschaft als Information) wäre jeweils die nach der Teilbarkeit von Herausforderungen. (Barre wäre nicht das Problem, sondern die Summe aller Herausforderungen (Prozesse) eines Systems“
Erneut tut mir das leid. ‚Gesellschaft als Information‘? Und: ‚die Teilbarkeit von Herausforderungen‘? Das hat jedenfalls mit Luhmann nichts tun. Ich weiß gar nicht, mit wem oder was überhaupt?
Und die Barre ist ein Zeichen, nichts anderes als das der Differenz. Sie ist kein Teil der Differenz, nur ein Symbol, das sich ersetzen ließe durch ein Kränzchen usw. Kurz: eine Konvention, nicht: Teil der Differenz.
„Jede Differenz erzeugt Raum … einen Raum der darin möglichen und zulässigen sowie auch lokalisierbaren und prozessierbaren Ereignisse.“
Nein, für manche Beobachter (Beobachtungen) vielleicht. Aber: Luhmann verwirft die Phänomenologie des Geistes; stattdessen schlägt er eine Phänomenologie der ‚Differenz‘ vor. Gelingt das, wäre keine Differenz verknüpft mit Raum. Du überschätzt Raum. Und ‚Ereigniss ‘ … ist ohnehin ein sehr schwieriger Begriff, eigentlich keiner, wenn man zum Beispiel meint, dass sie keinen Raum haben, nicht zählbar sind, mit Derrida ein Nachtrag (ohne Präsenz), der unter dem Nichtnamen, Nichtbegriff der différance figuriert, einer Oikesis (eines Grabmals). Du kannst auch daran denken, dass weder Gedanken noch Kommunikation gezählt werden können.
„Wie entsteht eine Grenze?“
Nun, der Stand ist bei mir, dass System/Umwelt eine ‚Ohneeinandernicht‘- Differenz darstellt, also kein Dies und das … aber das ist dann keine Grenze nach innen, keine Grenze nach draußen. Aber das ist ein sehr weites Feld.
Herzliche Grüße
Peter
Zitat von henryN am 26. Februar 2024, 14:25 UhrLieber Peter
ja, der Begriff [Summe] wäre mehr als unterkomplex und beinhaltete keine Relationalität…. absolut richtig ….
Was könnte anstelle dessen dort alles stehen?
[Herausforderung] könnte das ‚ohneeinandernicht‘ beinhalten…. als andauernder Prozess….
Ereignis wäre nicht das, was gezählt oder berichtet werden könnte…. Nur bestimmbar, durch die reine Möglichkeit seines in Erscheinung treten könnens…. [Zahlung] beispielsweise, könnte nur dort in Erscheinung treten, wo sie auch möglich/nötig wäre. Irrelevant wäre die Bestimmung eines einzelnen Ereignisses, einer Zahlung, oder wie in makroökonomischer Theorielage, die Summe aller Zahlungen. Eine solche aufzustellen und zu behaupten, wäre selbst wiederum nichts anderes als ein erzeugtes Ereignis aber hat keine Aussagekraft über die Prozesseigenschaften …..
Differance(durchgestrichen) || [Prozess|Herausforderung ] re-entry in einer Formlogiksprache?
Gesellschaft (Information) in einer erweiterten Informationstheorie … im Prinzip analog zu „offene Kontexte“ (Baecker) aber noch differenzierter und komplexer ….
[Teilbarkeit einer Herausforderung] ist nur eine andere Sprachlichkeit….
in der Physik könnte man jede Wechselwirkung als eine geteilte und teilbare Herausforderung beschreiben. Es wäre ein Vorschlag für etwas noch mehr an Physik in der Systemtheorie …..Für Gesellschaften böte sich eine Analytik an, beispielsweise die Allokation von Ressourcen als [Herausforderung], hinsichtlich ihrer Teilbarkeit zu modellieren…..
(Die Herausforderung ist auch da, wenn gerade nicht kommuniziert wird und unabhängig von Subjekten und ihren Entscheidungen. Gravitation wäre in diesem Kontext ein ganz einfaches Beispiel)OhneEinanderNichtDifferenz [ungleich] Grenze ? Im Prinzip adäquat zu Unterscheidung|Differenz
[Haut] sehe ich als eine mögliche Erscheinungsform und Technologie zur Prozessierung von OhneEinanderNichtdifferenz.
Eine Grenze sehe ich irgendwie verschieden davon ….. als Folge der Operation [Beobachtung] ?liebe Grüße
Henry
Lieber Peter
ja, der Begriff [Summe] wäre mehr als unterkomplex und beinhaltete keine Relationalität…. absolut richtig ….
Was könnte anstelle dessen dort alles stehen?
[Herausforderung] könnte das ‚ohneeinandernicht‘ beinhalten…. als andauernder Prozess….
Ereignis wäre nicht das, was gezählt oder berichtet werden könnte…. Nur bestimmbar, durch die reine Möglichkeit seines in Erscheinung treten könnens…. [Zahlung] beispielsweise, könnte nur dort in Erscheinung treten, wo sie auch möglich/nötig wäre. Irrelevant wäre die Bestimmung eines einzelnen Ereignisses, einer Zahlung, oder wie in makroökonomischer Theorielage, die Summe aller Zahlungen. Eine solche aufzustellen und zu behaupten, wäre selbst wiederum nichts anderes als ein erzeugtes Ereignis aber hat keine Aussagekraft über die Prozesseigenschaften …..
Differance(durchgestrichen) || [Prozess|Herausforderung ] re-entry in einer Formlogiksprache?
Gesellschaft (Information) in einer erweiterten Informationstheorie … im Prinzip analog zu „offene Kontexte“ (Baecker) aber noch differenzierter und komplexer ….
[Teilbarkeit einer Herausforderung] ist nur eine andere Sprachlichkeit….
in der Physik könnte man jede Wechselwirkung als eine geteilte und teilbare Herausforderung beschreiben. Es wäre ein Vorschlag für etwas noch mehr an Physik in der Systemtheorie …..
Für Gesellschaften böte sich eine Analytik an, beispielsweise die Allokation von Ressourcen als [Herausforderung], hinsichtlich ihrer Teilbarkeit zu modellieren…..
(Die Herausforderung ist auch da, wenn gerade nicht kommuniziert wird und unabhängig von Subjekten und ihren Entscheidungen. Gravitation wäre in diesem Kontext ein ganz einfaches Beispiel)
OhneEinanderNichtDifferenz [ungleich] Grenze ? Im Prinzip adäquat zu Unterscheidung|Differenz
[Haut] sehe ich als eine mögliche Erscheinungsform und Technologie zur Prozessierung von OhneEinanderNichtdifferenz.
Eine Grenze sehe ich irgendwie verschieden davon ….. als Folge der Operation [Beobachtung] ?
liebe Grüße
Henry
Zitat von Peter Fuchs am 27. Februar 2024, 18:59 UhrLieber Franz
“ – Schon Husserl hat eine „Paradoxie der Subjektivität“ gesehen (wenn wir kurz die Vorbehalte gegenüber ‚Subjektivität‘ suspendieren und es gelingt, auf die argumentative Figur zu achten) darin, dass sie zugleich empirisch und transzendental sein solle (vgl. aber auch Novalis Frage an Fichte: Wie soll das transzendentale Subjekt denn empirisch werden?). Eine Phänomenologie der Differenz übernimmt sozusagen das transzendentalphilosophische Problembewusstsein, um durch ein „ab-hier-anders“ qua Abgrenzung an die Tradition anzuschließen.“
Ja, ich denke aber, dass Luhmanns Diktum radikaler gemeint ist. „Phänomenologie ist hier weder gemeint als Erscheinen des Geistes in der Welt noch als Erscheinen der Welt im Geiste. Wir setzen weder das Hegelsche noch das Husserlsche Theorieprogramm fort, sondern begreifen Phänomenologie als Lehre vom Erscheinen der Differenz, und zwar zunächst: der Differenz des Wirklichen und des Möglichen.“[Niklas Luhmann: Ideenevolution. Beiträge zur Wissenssoziologie. Hrsg: A. Kieserling, Frankfurt a.M. 2008, S.15]
Seltsam ist, dass Luhmann auf der einen Seite einen scharfen Abbruch formuliert und dabei die rhetorische Form der Verdoppelung: ‚weder/noch – weder/noch‘ benutzt‘, eine Verstärkungsformel, deren Pointe mir zunächst genau als das Gegenteil der Bruchkante erscheint, nämlich: die ‚Differenz des Wirklichen und des Möglichen‘, einer Formel, die das Gegenteil einer Neuheit markiert: Wirklichkeit/Möglichkeit ist eine Generalformel der Systemtheorie, zum Beispiel in der Form von Aktualität/Virtualität.
Nun kommt es mir so vor, dass Luhmann das ‚Erscheinen der Differenz‘ selbst als klassische Formel einsetzt. Ich hätte gedacht an die Erscheinung der différance, aber spielerisch …
Herzliche Grüße
Peter
Lieber Franz
“ – Schon Husserl hat eine „Paradoxie der Subjektivität“ gesehen (wenn wir kurz die Vorbehalte gegenüber ‚Subjektivität‘ suspendieren und es gelingt, auf die argumentative Figur zu achten) darin, dass sie zugleich empirisch und transzendental sein solle (vgl. aber auch Novalis Frage an Fichte: Wie soll das transzendentale Subjekt denn empirisch werden?). Eine Phänomenologie der Differenz übernimmt sozusagen das transzendentalphilosophische Problembewusstsein, um durch ein „ab-hier-anders“ qua Abgrenzung an die Tradition anzuschließen.“
Ja, ich denke aber, dass Luhmanns Diktum radikaler gemeint ist. „Phänomenologie ist hier weder gemeint als Erscheinen des Geistes in der Welt noch als Erscheinen der Welt im Geiste. Wir setzen weder das Hegelsche noch das Husserlsche Theorieprogramm fort, sondern begreifen Phänomenologie als Lehre vom Erscheinen der Differenz, und zwar zunächst: der Differenz des Wirklichen und des Möglichen.“[Niklas Luhmann: Ideenevolution. Beiträge zur Wissenssoziologie. Hrsg: A. Kieserling, Frankfurt a.M. 2008, S.15]
Seltsam ist, dass Luhmann auf der einen Seite einen scharfen Abbruch formuliert und dabei die rhetorische Form der Verdoppelung: ‚weder/noch – weder/noch‘ benutzt‘, eine Verstärkungsformel, deren Pointe mir zunächst genau als das Gegenteil der Bruchkante erscheint, nämlich: die ‚Differenz des Wirklichen und des Möglichen‘, einer Formel, die das Gegenteil einer Neuheit markiert: Wirklichkeit/Möglichkeit ist eine Generalformel der Systemtheorie, zum Beispiel in der Form von Aktualität/Virtualität.
Nun kommt es mir so vor, dass Luhmann das ‚Erscheinen der Differenz‘ selbst als klassische Formel einsetzt. Ich hätte gedacht an die Erscheinung der différance, aber spielerisch …
Herzliche Grüße
Peter
Zitat von henryN am 27. Februar 2024, 19:45 UhrLieber Peter
“Wirklichkeit | Möglichkeit“ ist eine interessante Formung. Die Grenzen dessen was möglich ist, formt das, was wirklich ist?
Henry
Lieber Peter
“Wirklichkeit | Möglichkeit“ ist eine interessante Formung. Die Grenzen dessen was möglich ist, formt das, was wirklich ist?
Henry
Zitat von Franz Hoegl am 28. Februar 2024, 7:59 UhrLieber Peter,
nicht als Einwand, sondern ergänzend:
…kaum ein Luhmann-Zitat, dass wir uns all die Jahre so oft gegenseitig zugesandt haben wie dieses! Eine fruchtbare Schwierigkeit, die es bereitet, ist m.E. die Kippfigur zwischen Ironie und Programmatik. Denn die Drehung, mal Geist-in-Welt, mal Welt-im-Geiste, verstehe ich zum einen als polemisch-lustige Bemerkung, erstellt mit dem begrifflichen Arsenal der „Formentheorie“, man schreibts mal so rum, mal so rum, und zwei vermeintlich ganz verscheidende Lagen erscheinen (?) auf einmal als zwei vertauschbare Seiten einer Form. Das zum Preis einer polemischen Karikatur der referierten philosophischen Perspektiven (gerade mit Blick auf Husserl; „Welt“, als immer-so-weiter-Unterstellung, als ‚Horozint‘, „erscheint“ nicht – nach Husserl – im Geist, sonst wär sie ja nicht Welt, sondern ein „Ding“). Ironie als Technik, das Ausgeschlossene doch einzuschließen (bevor es jemand andres einfach: hinsagt) – denn die Positionen, mit denen er sich untrennbar verbindet, indem er zu ihnen eine Grenze zieht (je schroffer, desto fester der semantische Bezug), sind, darauf würde ich doch weiter bestehen (auch wenn das textegestützt ausführlicher, detailfreundlicher verargumentiert werden müsste, aber auch könnte, meine ich), FIGURLOGISCH mit systemtheoretischen Argumentationen familienähnlich (ein Anzeichen dessen mag eben sein, wie gesagt, dass er sich sonst nicht davon abgrenzen wollert, ums fränkisch zu formulieren).
Ironisch, und nicht NUR polemisch, ist das Zitat insofern, weil er mit seinem Gag dem ersten Blick entzieht, was zweite Blicke sehen: zum Beispiel diese Mehrfachnennung von werder-nochs, die du markierst, lieber Peter. Aber auch: „Erscheinung“ kommt dreimal vor. Und kaum hab ich Luhmann also eine ironisch-polemische Verkürzung hinbeobachtet, beobachte ich jetzt (hier müsste nun irgendwo ein „zum andren“ stehen…) programmatisch, wie er das auch wieder zurücknimmt, und JEDEN der drei Ansätze in ihrer Eigensinnigkeit ernst nimmt. Denn er schreibt ja nicht:“Phänomenologie ist hier weder gemeint als Erscheinen des Geistes in der Welt noch als der Welt im Geiste.“
Einmal „Erscheinung“ würde reichen, dann aber wäre „Erscheinen“ SEIN Begriff, den er mal hierauf, mal dort drauf verwendet. Sondern er gebraucht das Wort „Erscheinen“ doppelt, und ich denke, man müsste es so lesen:
“Phänomenologie ist hier weder gemeint als Erscheinen-des-Geistes-in-der-Welt noch als Erscheinen-der-Welt-im-Geiste.“
Luhmann trägt damit dem Befund Rechnung, dass Erscheinung bei Hegel etwas komplett andres bezeichnet als bei Husserl.
Bei BEIDEN finden sich aber Figuren, die Luhmann von dort übernimmt, wenn auch, um damit etwas andres zu formen (bzw., etwas radikaleres?) Es sprengt den Rahmen eines Forums, über diesen Satz von Luhmann müsste man einen ganzen Sammelband herausgeben… nur skizziert:„Erscheinung“ fungiert bei Hegel als Momente der Form (der Wirklichkeit) Wesen/Erscheinung, „Korrelationsbegriffe“ nennen das Hegelianer, „das eine nur durch das andre und ohne einander nicht“ wir, Hegel selber so (WdL, Meiner-Ausgabe, S. 868 f.):
“Aber das erscheinende und das wesentliche Sein stehen schlechthin in Beziehung aufeinander. (…) Verhältnis; das Erscheinende zeigt das Wesentliche, und dieses ist in seiner Erscheinung. – Das Verhältnis ist die noch unvollkommene Vereinigung der Reflexion in das Andersein und der Reflexion-in-sich; die vollkommene Durchdringung beider ist die Wirklichkeit.“
Erscheinung bei Hegel meint also (m.E. und viel zu grob von mir dargestellt) eine Bewegung, einen Prozess, einen Übergang, vom Schein zum Wesen (und zurück vermutlich).Erscheinung bei Husserl dagegen ist kein Durchgangsbahnhof, sondern das Gleissystem selbst, besser wirds nicht, damit muss das Bewusstseinssystem zurechtkommen. Selbst der „Schein“ ist nur als Erscheinung hinnehmbar. Die ontologische Unterscheidung Ding/Irritation wird zu einer durch die „natürliche Welteinstellung“ routinierte Unterscheidungspraxis, aber mehr als „fungierende Ontologie“ ist ja auch bei Husserl schon nicht mehr zu haben (und wird von Husserl in weitere Unterscheidungen aufgelöst, etwa selbststellend/darstellend usw). Da ist die durch Luhmann eingeführte Änderung der Denk-Fortsetzbarkeitsbedinungen nicht die FIGUR Husserls (die bildet mE im Gegenteil das Muster für vieles weitere, was man genuin mit Systemtheorie verbindet), sondern deren Grund: die Zersplitterung „des“ (transzendentalen) Subjekts in („reale“) Sinnsysteme.
Wie gehts weiter? Nach Erscheinung-Hegel und Erscheinung-Husserl nun die dritte Erwähnung, Erscheinung-Luhmann: „…sondern Erscheinen der Differenz“. Ohne das müde Fichte-Schema aufzurufen (und tus damit, klar) ist zu erwarten, dass es Luhmann hier nicht einfach nur um eine Reihung geht, sondern um einen Dreischritt. SEIN Begriff des „Erscheinens“ nimmt wohl (wie oben nur angehaucht angedeutet) denkfigürliche, formale wie inhaltliche, Momente aus den anderen Ansätzen auf und, also gut, dann sag ichs halt, „hebt“ sie in seinem Begriff „auf“. Das entspräche ja der Technik, wie Luhmann oft zu Ergebnissen kommt, indem er zwei semantische Traditionen miteinander „kreuzt“…
Was wird aus einer Differenz, die „erscheint“? Die sich selbst-stellt (Husserl), und zugleich zu ihrer Überschreitung drängt (Hegel)? Dieses sinnförmige Gewusel und Geblitze, diese Gemengelage von Gesten, Bewegungen, Lärmen, nun nicht wieder als bloße Wiederversöhnung der Gegensätze usw., der Zurückverschmelzung der Zweiheit zur Einheit, in „dem“ Sinnsystem o.ä. zu begreifen (was ja, als VERschmelzung, vorherige Abzählbarkeiten, durch fachdisziplinär programmierte Beobachtung digitalisierte „Einheiten“ quasi, voraussetzt und all das, …mit Zäunen usw), sondern als ganz-andere (weder weder-noch noch weder noch noch…) Weise des… ja, hier sucht man das neue Wort… und für diese Suche eher als für den bereits anmeldbaren Fund steht , schätze ich, die Chiffre VERSCHRÄNKUNG ein.Ich sollte diesen Post nochmal durchlesen vor dem Absenden, aber stattdessen hole ich mir Kaffee.
LG Franz
Lieber Peter,
nicht als Einwand, sondern ergänzend:
…kaum ein Luhmann-Zitat, dass wir uns all die Jahre so oft gegenseitig zugesandt haben wie dieses! Eine fruchtbare Schwierigkeit, die es bereitet, ist m.E. die Kippfigur zwischen Ironie und Programmatik. Denn die Drehung, mal Geist-in-Welt, mal Welt-im-Geiste, verstehe ich zum einen als polemisch-lustige Bemerkung, erstellt mit dem begrifflichen Arsenal der „Formentheorie“, man schreibts mal so rum, mal so rum, und zwei vermeintlich ganz verscheidende Lagen erscheinen (?) auf einmal als zwei vertauschbare Seiten einer Form. Das zum Preis einer polemischen Karikatur der referierten philosophischen Perspektiven (gerade mit Blick auf Husserl; „Welt“, als immer-so-weiter-Unterstellung, als ‚Horozint‘, „erscheint“ nicht – nach Husserl – im Geist, sonst wär sie ja nicht Welt, sondern ein „Ding“). Ironie als Technik, das Ausgeschlossene doch einzuschließen (bevor es jemand andres einfach: hinsagt) – denn die Positionen, mit denen er sich untrennbar verbindet, indem er zu ihnen eine Grenze zieht (je schroffer, desto fester der semantische Bezug), sind, darauf würde ich doch weiter bestehen (auch wenn das textegestützt ausführlicher, detailfreundlicher verargumentiert werden müsste, aber auch könnte, meine ich), FIGURLOGISCH mit systemtheoretischen Argumentationen familienähnlich (ein Anzeichen dessen mag eben sein, wie gesagt, dass er sich sonst nicht davon abgrenzen wollert, ums fränkisch zu formulieren).
Ironisch, und nicht NUR polemisch, ist das Zitat insofern, weil er mit seinem Gag dem ersten Blick entzieht, was zweite Blicke sehen: zum Beispiel diese Mehrfachnennung von werder-nochs, die du markierst, lieber Peter. Aber auch: „Erscheinung“ kommt dreimal vor. Und kaum hab ich Luhmann also eine ironisch-polemische Verkürzung hinbeobachtet, beobachte ich jetzt (hier müsste nun irgendwo ein „zum andren“ stehen…) programmatisch, wie er das auch wieder zurücknimmt, und JEDEN der drei Ansätze in ihrer Eigensinnigkeit ernst nimmt. Denn er schreibt ja nicht:
“Phänomenologie ist hier weder gemeint als Erscheinen des Geistes in der Welt noch als der Welt im Geiste.“
Einmal „Erscheinung“ würde reichen, dann aber wäre „Erscheinen“ SEIN Begriff, den er mal hierauf, mal dort drauf verwendet. Sondern er gebraucht das Wort „Erscheinen“ doppelt, und ich denke, man müsste es so lesen:
“Phänomenologie ist hier weder gemeint als Erscheinen-des-Geistes-in-der-Welt noch als Erscheinen-der-Welt-im-Geiste.“
Luhmann trägt damit dem Befund Rechnung, dass Erscheinung bei Hegel etwas komplett andres bezeichnet als bei Husserl.
Bei BEIDEN finden sich aber Figuren, die Luhmann von dort übernimmt, wenn auch, um damit etwas andres zu formen (bzw., etwas radikaleres?) Es sprengt den Rahmen eines Forums, über diesen Satz von Luhmann müsste man einen ganzen Sammelband herausgeben… nur skizziert:
„Erscheinung“ fungiert bei Hegel als Momente der Form (der Wirklichkeit) Wesen/Erscheinung, „Korrelationsbegriffe“ nennen das Hegelianer, „das eine nur durch das andre und ohne einander nicht“ wir, Hegel selber so (WdL, Meiner-Ausgabe, S. 868 f.):
“Aber das erscheinende und das wesentliche Sein stehen schlechthin in Beziehung aufeinander. (…) Verhältnis; das Erscheinende zeigt das Wesentliche, und dieses ist in seiner Erscheinung. – Das Verhältnis ist die noch unvollkommene Vereinigung der Reflexion in das Andersein und der Reflexion-in-sich; die vollkommene Durchdringung beider ist die Wirklichkeit.“
Erscheinung bei Hegel meint also (m.E. und viel zu grob von mir dargestellt) eine Bewegung, einen Prozess, einen Übergang, vom Schein zum Wesen (und zurück vermutlich).
Erscheinung bei Husserl dagegen ist kein Durchgangsbahnhof, sondern das Gleissystem selbst, besser wirds nicht, damit muss das Bewusstseinssystem zurechtkommen. Selbst der „Schein“ ist nur als Erscheinung hinnehmbar. Die ontologische Unterscheidung Ding/Irritation wird zu einer durch die „natürliche Welteinstellung“ routinierte Unterscheidungspraxis, aber mehr als „fungierende Ontologie“ ist ja auch bei Husserl schon nicht mehr zu haben (und wird von Husserl in weitere Unterscheidungen aufgelöst, etwa selbststellend/darstellend usw). Da ist die durch Luhmann eingeführte Änderung der Denk-Fortsetzbarkeitsbedinungen nicht die FIGUR Husserls (die bildet mE im Gegenteil das Muster für vieles weitere, was man genuin mit Systemtheorie verbindet), sondern deren Grund: die Zersplitterung „des“ (transzendentalen) Subjekts in („reale“) Sinnsysteme.
Wie gehts weiter? Nach Erscheinung-Hegel und Erscheinung-Husserl nun die dritte Erwähnung, Erscheinung-Luhmann: „…sondern Erscheinen der Differenz“. Ohne das müde Fichte-Schema aufzurufen (und tus damit, klar) ist zu erwarten, dass es Luhmann hier nicht einfach nur um eine Reihung geht, sondern um einen Dreischritt. SEIN Begriff des „Erscheinens“ nimmt wohl (wie oben nur angehaucht angedeutet) denkfigürliche, formale wie inhaltliche, Momente aus den anderen Ansätzen auf und, also gut, dann sag ichs halt, „hebt“ sie in seinem Begriff „auf“. Das entspräche ja der Technik, wie Luhmann oft zu Ergebnissen kommt, indem er zwei semantische Traditionen miteinander „kreuzt“…
Was wird aus einer Differenz, die „erscheint“? Die sich selbst-stellt (Husserl), und zugleich zu ihrer Überschreitung drängt (Hegel)? Dieses sinnförmige Gewusel und Geblitze, diese Gemengelage von Gesten, Bewegungen, Lärmen, nun nicht wieder als bloße Wiederversöhnung der Gegensätze usw., der Zurückverschmelzung der Zweiheit zur Einheit, in „dem“ Sinnsystem o.ä. zu begreifen (was ja, als VERschmelzung, vorherige Abzählbarkeiten, durch fachdisziplinär programmierte Beobachtung digitalisierte „Einheiten“ quasi, voraussetzt und all das, …mit Zäunen usw), sondern als ganz-andere (weder weder-noch noch weder noch noch…) Weise des… ja, hier sucht man das neue Wort… und für diese Suche eher als für den bereits anmeldbaren Fund steht , schätze ich, die Chiffre VERSCHRÄNKUNG ein.
Ich sollte diesen Post nochmal durchlesen vor dem Absenden, aber stattdessen hole ich mir Kaffee.
LG Franz